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GEGENWARTSKINO IM FOKUS:

RUTH MADER UND SANTIAGO MITRE IM PORTRÄT

 

06. September 2022

 

Gesellschaftskritik, die sich in der Bildsprache wiederfindet: Die Filmschaffenden Ruth Mader und Santiago Mitre werden im diesjährigen »Gegenwartskino im Fokus« beleuchtet. Neben früheren Werken zeigt das FILMFEST HAMBURG als Deutschlandpremieren die Filme Serviam – Ich will dienen der Österreicherin Mader und Argentina, 1985 des in Buenos Aires geborenen Mitre und fördert den cineastischen Austausch quer über Kontinente hinweg. Ergänzt wird das 2019 eingeführte Format mit ausführlichen Werkgesprächen.

 

Festivalleiter Albert Wiederspiel: »Auch im Jubiläumsjahr setzten wir unser Projekt fort, zwei unserer Meinung nach in Deutschland bisher wenig bekannte Regisseur·innen, idealerweise eine Frau und einen Mann aus zwei verschiedenen Kontinenten, unserem Hamburger Publikum vorzustellen. Ruth Mader und Santiago Mitre drehen ihre Filme mit klassischen Elementen, aber immer mitten am Puls der Zeit und verfolgen dabei stets ihre künstlerischen Visionen und politischen Ideale.«

 

Spätestens mit der Einladung ihres Kurzfilms Null Defizit (2001) zur Cinéfondation in Cannes hat sich Ruth Mader als gegenwärtige Filmemacherin einen Namen gemacht. Der Inhalt ihrer Werke ist geprägt von sozialen Randfiguren, gesellschaftlichen Verwerfungen, Dystopien und Entmenschlichung. Höhepunkt dieser Kritiken war ihr letzter Spielfilm Life Guidance (2017) der im selben Jahr bei FILMFEST HAMBURG lief und zu den Internationalen Filmfestspielen von Venedig eingeladen wurde: Leistungsträger·innen können sich mithilfe der Agentur »Life Guidance« optimieren lassen, um so die Strukturen der kapitalistischen Welt vollendet in sich aufnehmen zu können. Selbstoptimierung, Manipulation und Fundamentalismus stehen auch bei Serviam – Ich will dienen (2022) im Vordergrund. Der Thriller erzählt von einem katholischen Mädcheninternat in Österreich, indem nur die frömmsten und folgsamsten Glaubensschülerinnen Wundmale durch den Büßgürtel tragen. Der Film war 2022 im internationalen Wettbewerb des Locarno Film Festivals zu sehen.

 

Während FILMFEST HAMBURG werden zusätzlich in zwei Screenings drei weitere Filme Maders gezeigt: Als Doppelvorstellung der Kurzfilm Gfrasta (1998), der in 11 Minuten einen Nachmittag in einer Wiener Siedlung schildert und 1999 mit dem Max Ophüls Preis ausgezeichnete wurde, sowie Maders Spielfilmdebüt Struggle (2003). Ihr erster Langfilm, der 2003 seine Premiere in Cannes innerhalb der Sektion »Un Certain Regard« feierte, erzählt aus der Perspektive einer polnischen Arbeitsmigratin und einem Wiener Immobilienmakler von der Dichotomie von Armut und Reichtum. Ihr episodischer Dokumentarfilm What is Love (2011), der 2012 auf der Berlinale aufgeführt wurde, stellt anhand von unterschiedlichen Lebensmodellen die Frage nach dem Lebenssinn. Das Werkgespräch mit Ruth Mader findet im Anschluss an die Doppelvorführung am 7. Oktober im Metropolis statt.

 

Auch Santigo Mitres Arbeiten beschäftigen sich mit den Fragen nach Macht, Institutionen und Gesellschaft – alles vor dem politischen Hintergrund eines repressiven Staates. Obwohl seine frühen Filme, wie The Student (2011) oder die Aktualisierung des argentinischen Klassikers Paulina (2013), bereits landesintern für reichlich Gesprächsstoff sorgten und Mitre 2016 Teil der Jury der »Semaine de la Critique in Cannes war, kann man seinen internationalen Durchbruch mit der Einladung von The Summit (2017) zu dem Festival innerhalb der Sektion »Un Certain Regard« festmachen. Der Film erzählt von dem neuen argentinischen Präsidenten und den wichtigen Entscheidungen, mit denen er konfrontiert wird. Die zentrale Kritik des Filmes gilt dabei lateinamerikanischen Führungspersönlichkeiten und deren Netzwerke.

 

Im Rahmen von FILMFEST HAMBURG werden drei Filme von Santiago Mitre gezeigt: The Student (2011), der das Wirken von Machtverhältnissen anhand von Universitätspolitik erläutert und Mitres neue Filme Petite Fleur (15 Ways to kill your Neighbour) (2022) und Argentina, 1985 (2022). Der Erste vereint das täglich grüßende Murmeltier mit Jazz und schwarzem Humor und stellt Mitres ersten französischsprachigen Film dar. Letzterer treibt Mitres Staats- und Machtkritik voran: Argentina, 1985 geht weg von der Fiktion, hin zu echten Namen, realen Opfern und wahren Begebenheiten. Der Film erzählt durch den argentinischen Prozess gegen die Angehörigen der argentinischen Militärjunten von 1976 bis 1983 von ungleichen Machtstrukturen und dem Versuch des Aufbruches dieser. Der Film feierte am 03. September beim Filmfestival von Venedig Premiere. Das Gespräch mit Mitre zu seinen Werken findet am 05. Oktober in der FILMFEST BAR / Kassematte20 statt.

 

FILMFEST HAMBURG findet vom 29. September bis 8. Oktober 2022 mit über 130 Filmen statt. Festivalkinos sind das Abaton, Alabama, CinemaxX Dammtor, Metropolis, Passage und Studio-Kino.  Das vollständige Programm wird am 13. September 2022 bekannt gegeben. Der Vorverkauf startet am 14. September mit der Gelben Stunde im Levantehaus und am 15. September an den weiteren Vorverkaufsstellen.

 

Ruth Mader:

Gfrasta

R: Ruth Mader | D: Ruth Mader, Barbara Albert, Martin Leidenfrost

Österreich 1998

 

Life Guidance

R: Ruth Mader | D: Ruth Mader, Martin Leidenfrost

Österreich 2017

 

Null Defizit

R & D: Ruth Mader

Österreich 2001

 

Serviam – Ich will dienen

R: Ruth Mader | D: Ruth Mader, Martin Leidenfrost

Österreich 2022

 

Struggle  

R: Ruth Mader | D: Ruth Mader, Martin Leidenfrost, Barbara Albert

Österreich 2003

 

What is Love

R & D: Ruth Mader

Österreich 2012

 

Santiago Mitre:

Argentina, 1985

R: Santiago Mitre | D: Santiago Mitre, Mariano Llinás

Argentinien, USA 2022

 

Paulina

R: Santiago Mitre | D: Santiago Mitre, Mariano Llinás, basierend auf dem Originaldrehbuch von Eduardo Borràs

Argentinien, Brasilien, Frankreich 2015

 

Petite Fleur (15 Ways to kill your Neighbour)

R: Santiago Mitre | D: Santiago Mitre, Mariano Llinás, basierend auf dem Roman ‚Petite fleur jamais ne meurt‘ von Iosi Havilio

Argentinien, Frankreich 2022

 

The Student

R & D: Santiago Mitre

Argentinien 2011

 

The Summit                   

R: Santiago Mitre | D: Mariano Llinás, Santiago Mitre

Argentinien, Frankreich, Spanien 2017

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