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Interview miT MArion gretchen schmitz

Einsprache ist ein Medium

 

An einem sonnigen Tag treffen wir die Schauspielerin Marion Gretchen Schmitz in einem Café in Eimsbüttel. Marion Gretchen ist Schauspielerin, Sprecherin, Coach und seit vielen Jahren für die Einsprache von Filmen des MICHEL Kinder und Jugend Filmfestes zuständig. Einsprache ist eine Mischung aus Übersetzung und Synchronsprechen, nur ganz anders. Und das live im Kino.

 

FILMFEST HAMBURG: Seit 2003 machst du die Einsprache für das MICHEL Kinder und Jugend Filmfest. Wie ist es dazu gekommen?

 

Marion Gretchen Schmitz: Als ich Kurzfilme für Mo & Friese eingesprochen habe, wurde ich angesprochen und gefragt, ob ich nicht Lust hätte, auch die Einsprache für das MICHEL Kinder und Jugend Filmfest zu machen. Ich habe natürlich sofort ja gesagt und hatte in dem Jahr ebenso viel Spaß bei der Einsprache – nun eben von Langfilmen. Im Jahr darauf wechselte die Leitung und ich musste mich regulär bewerben, doch leider waren dann die Stellen schon besetzt. Die Jahre danach habe ich immer wieder beim Filmfest beworben und 2006 oder 2007 kam dann der Anruf, ob ich noch Interesse hätte. Ich habe natürlich gleich zugesagt. Über die Jahre habe ich viele Einsprachen gemacht, viele Stunden im Kino verbracht, unglaublich tolle Filme gesehen und spannende Menschen kennengelernt.

 

FILMFEST HAMBURG: Wo sind die Unterschiede zwischen Einsprache und Synchronsprechen?

 

Marion Gretchen Schmitz: Die Unterschiede sind sehr groß. Beim Synchronsprechen erschaffst du eine Figur und musst 1 zu 1 die Lippen treffen. Beim Einsprechen versuche ich nicht das, was da ist, zu spielen, sondern es ist eher wie eine Übersetzung, bei der ich natürlich mit der vorhandenen Filmdynamik arbeite. Ich sage immer: Einsprache ist ein Medium. Ich versuche den Kindern dynamisch den Inhalt der Filme auf Deutsch zu vermitteln. Es ist eher dem Voice Over ähnlich. Und im Besten Fall nehmen die Zuschauenden im Kino dann den Originalton als auch die Einsprache als Einheit wahr.

 

FILMFEST HAMBURG: Wie bereitest du dich auf die Einsprache vor?

 

Marion Gretchen Schmitz: Von einem Übersetzer/einer Übersetzerin bekommen wir ein Skript mit Timecodes und Rollennamen. Manchmal steht in Stichworten dabei, wo das Ganze gerade spielt. Das brauche ich aber nicht unbedingt. Wenn ich im Kino sitze und einspreche, habe ich den Film und das Skript in den meisten Fällen schon drei Mal durchgearbeitet. Das ist eine aufwändige zeitintensive Vorbereitung, aber wenn Du im Kino sprichst, kannst Du nicht mal eben den Film stoppen. Dann muss alles funktionieren.

 

FILMFEST HAMBURG: Gab es Momente, in denen du aus dem Konzept gekommen bist oder die Einsprache nicht so gut funktioniert hat?

 

Marion Gretchen Schmitz: Einmal gab es eine Situation, als mehrere Kinder direkt hinter mir die Einsprache so laut gestört haben, dass ich mich sehr konzentrieren musste, nicht den Faden zu verlieren. Das hat zum Glück jemand vom Festival mitbekommen und die Situation beruhigt. Und dann wurde einmal während einer Vorstellung der falsche Film abgespielt, weil zwei Filme sehr ähnliche Titel hatten. Ich habe gedacht, da stimmt doch irgendetwas nicht. Aber auch das hat sich geklärt und nach kurzer Zeit lief dann der richtige Film. Dann allerdings ohne Untertitel, an denen ich mich gerne orientiere, und dazu auf Tschechisch. Da ich kein Tschechisch spreche, musste ich mich sehr auf die Filmbilder ausrichten. Ich war zum Glück gut vorbereitet und ich denke nicht, dass es jemandem aufgefallen ist.

 

FILMFEST HAMBURG: Wie bereitest du dich auf neue Rollen vor?

 

Marion Gretchen Schmitz: Als Erstes schaue ich mir natürlich den Text an, lese das Stück oder Drehbuch mehrmals und sammle alle Informationen über meine Figur daraus. Dann gibt es verschiedene Schauspieltools, die ich anwende, um mir die Rollen zu erschliessen. Beim Theater entstehen bei den Proben viele Dynamiken, die mir helfen, meine Figur zu erarbeiten. Und zum Textlernen gehe ich sehr viel spazieren. Ich brauche Bewegung, um mir Texte merken zu können. Manchmal spiele ich auch mit Schauspielkolleg*innen Filmszenen durch oder hole mir für Drehvorbereitungen Unterstützung von Coaches. So bekomme ich noch mehr Input. Das ist eine absolute Bereicherung.

 

FILMFEST HAMBURG: Wie bist du dazu gekommen, Schauspielerin zu werden?

 

Marion Gretchen Schmitz: Wie viele andere Schauspieler*innen habe ich in der Schule angefangen Theater zu spielen. Nach dem Abi wusste ich erst nicht so richtig, wo die Reise hingehen sollte, also habe ich mich für die Regieassistenz an einem Theater beworben. Das hat geklappt und ich habe dort dann auch meine erste Inszenierung machen dürfen. Während dieser Theaterzeit ist mir aber schnell klar geworden, dass ich eigentlich lieber selber Schauspielen möchte. Also bin ich Vorsprechen gegangen.

 

FILMFEST HAMBURG: Wo hast du die Ausbildung gemacht?

 

Marion Gretchen Schmitz: Mit 23 Jahren habe ich in Kiel Schauspiel studiert, bevor mich meine Sehnsucht zurück nach Hamburg gezogen hat. Hier musste ich mich wieder bewerben und habe dann an der Schule für Schauspiel angefangen. Das war auch allerhöchste Eisenbahn, denn zu der damaligen Zeit gab es für Schauspielerinnen entweder nur ganz junge Rollen oder eben die Mutterfigur zu spielen. Ich war genau in dem Grenzbereich dazwischen.

 

FILMFEST HAMBURG: Du stehst sowohl auf der Bühne als auch vor der Kamera. Wo arbeitest du lieber?

 

Marion Gretchen Schmitz: Für mich gibt es keinen Ort, an dem ich lieber arbeite. Ich arbeite in beiden Bereichen wahnsinnig gerne. Für mich ist das keine Entscheidungsfrage. Wenn ich vor der Kamera stehe, vermisse ich die Bühne und andersherum genauso. Es gibt aber natürlich große Unterschiede.

 

FILMFEST HAMBURG: Und die wären?

 

Marion Gretchen Schmitz: Im Theater bist du für einen längeren Zeitraum gebunden an das Team, die Kolleg*innen, ihr arbeitet alle an demselben Stück bis zur Premiere und natürlich alle Vorstellungen. Es entsteht eine Art Rudelbildung. Beim Film bereitest du dich alleine auf deine Rolle vor. Dann kommst du ans Set und alle dort sind schon eine Filmfamilie, das ist eine ganz andere Dynamik. Natürlich ist auch das Spielen anders. Auf der Bühne sehen die Zuschauer*innen nicht dein Gesicht im Close-up (meistens zumindest), die Kamera aber sieht alles, das erfordert eine feinere Spielweise.

 

FILMFEST HAMBURG: Welche Rolle ist dir so richtig ans Herz gewachsen?

 

Marion Gretchen Schmitz: Ich habe mal die Elisabeth aus Glaube, Liebe, Hoffnung gespielt. Das ist eine junge Frau, die keinen Job findet und sich dann in einen Polizisten verliebt, und am Ende geht es tragisch aus. Sie nimmt sich das Leben. Trotzdem hat sie ihre eigene Stärke, ihren eigenen Widerstand, ihre eigene Würde behalten. Elisabeth ist eine sehr schöne, aber eben auch tragische Figur. Ebenso Elizabeth I., die ich vor der Kamera sein durfte. Eine Frau voller Kraft und Schwäche zugleich. Das interessiert mich.

 

FILMFEST HAMBURG: Du bist Teil der Gruppe Vibesbilder. Was ist das für ein Zusammenschluss und wie ist dieser entstanden?

 

Marion Gretchen Schmitz: Vibesbilder ist eine Gruppe aus sieben Hamburger Schauspielerinnen über 47. Wir haben uns zusammengetan, um sichtbar zu werden, uns gegenseitig zu unterstützen und darauf aufmerksam zu machen, dass wir leider in dem Alter in unserer Branche noch oft in stereotype Rollen besetzt werden – wenn wir überhaupt besetzt werden. Entweder bist Du die gestresste Mutter, die Verlassene oder die kauzige Nachbarin. Dabei leben wir Frauen in so komplexen, unterschiedlichen Lebenssituationen. Da ist noch viel Luft nach oben, diese Lebensrealitäten auch zeigen zu können. Das Leben und unser Beruf, die Schauspielerei, hört ja in dem Alter nicht einfach auf. Erfreulicherweise verändert sich gerade einiges, vor allem Dank Palais F*luxx und ihrer Kampagne Let`s Change The Picture. Wir sind aber noch lange nicht da, wo wir sein wollen.

Früher habe ich mich nicht getraut, solche Themen anzusprechen, oder überhaupt zu hinterfragen. Ich sehe heute vor allem bei jungen Frauen, dass sie diesbezüglich viel mutiger sind. Das ist eine tolle Entwicklung, die mich inspiriert und sehr glücklich macht.

Förderer und Hauptpartner